Quizfrage: Wer ist Marlene Mortler? Sagt euch nichts? Leider ist das nicht verwunderlich. Marlene Mortler, CSU, ist die Drogenbeauftrage der Bundesregierung, die ihre fachliche Kompetenz im letzten Jahr so zusammenfasste: „Cannabis gilt als illegale Droge, das habe ich mir nicht selbst ausgedacht, sondern so vorgefunden. Ich finde das aber richtig.“
Wir nicht. Wir finden, dass die derzeit herrschende Drogenpolitik große Probleme und Defizite aufweist, die es zu benennen und zu beseitigen gilt. So registrierte die Polizei im Jahr 2015 rund 282.600 Straftagen, die in Verbindung mit Drogen stehen; der Gesamtanteil solcher Delikte an allen Strafverfahren liegt bei etwa 5%. Verbunden damit sind auch ein Schwarzmarkt, der sich weit über die europäischen Grenzen hinaus erstreckt, sowie Personal- und Geldmittel im Millionenbereich. Hinzu kommt schließlich die Zahl der Drogentoten, die seit einem Tiefstwert von 944 Toten im Jahr 2012 bis 2015 wieder auf 1.226 Tote gestiegen ist. Die Lage ist katastrophal – oder nicht?
Jede*r vierte EU-Bürger*in hat, so stellte man diesem Jahr fest, zumindest einmalig Erfahrung mit illegalen Drogen gemacht, mehr als 19 Millionen Menschen haben im vergangenen Jahr Cannabis konsumiert. In den rund 282.600 Fällen wurden also auch tausendfach Konsument*innen kriminalisiert, die weder sich noch anderen einen ernsthaften Schaden zufügen. Schlimmer noch: Statt denjenigen Menschen Hilfe anzubieten, die sie wirklich benötigen, werden mit Gefängnisstrafen ganze Leben restlos ruiniert. Stattdessen finden wir in jedem Bundesland andere Verfahrensregeln, während sich der illegale Handel indes nicht an den geltenden Gesetzen stört – die Versorgung von Europa mit illegalen Substanzen bleibt sichergestellt.
Dass es auch anders gehen kann, zeigen bereits jetzt verschiedene Modelle, beispielsweise in den Niederlanden oder in Colorado. Die gebietsweise Legalisierung von Cannabis in den USA lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen: „The kids are all right“. Viele Gegner der Legalisierung mussten letztlich zugeben, dass ihre Befürchtungen unbegründet waren. Die Zahl derer, die sich wegen Cannabiskonsum in medizinische Behandlung begaben, sei zwar gestiegen, doch könne dies auch auf die erhöhte Akzeptanz der Menschen zurückgeführt werden, die vorhandenen Probleme überhaupt anzusprechen.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass es auch in Deutschland noch immer große Anstrengungen gibt, dass zumindest Cannabis endlich legalisiert und die Konsument*innen entkriminalisiert werden. So wurde erst kürzlich in Bremen die strafrechtliche Verfolgung von Cannabiskonsument*innen eingeschränkt, der Anbau zu medizinischen Zwecken wurde – in einem anderen Verfahren – erlaubt. Vergessen werden darf nämlich nicht, dass nicht nur Cannabis, sondern auch andere, zurzeit illegale Substanzen oft einen medizinischen Nutzen besitzen. Die Forschung ist in diesem Bereich jedoch stark eingeschränkt, auch aufgrund der äußerst hohen bürokratischen Hürden. Leider wird mit dieser mangelnden Forschung auch verhindert, dass man sich auf einer wissenschaftlichen Ebene umfassend mit den Substanzen und ihren Wirkungen auseinandersetzen kann. Praktische Anwendungen, beispielsweise als psycholytische Psychotherapie, d.h. Therapien unter Einsatz psychoaktiver Substanzen (z.B. LSD oder MDMA), finden so in Deutschland de facto nicht statt, auch wenn diese in bestimmten Fällen große Erfolge vorzuweisen haben.
Ein weiterer Aspekt, der bereits bei unserer Kampagne im letzten Jahr kritisiert wurde, betrifft zudem die finanziellen Einsparungen und Einnahmen, die durch eine Legalisierung von Cannabis ermöglicht werden. Zwar wäre es denkbar, eine Legalisierung von bisher illegalen Substanzen ohne Gewinne zu gestalten, doch sehen wir hier der Realität ins Auge: Die freigewordenen Kapazitäten bei der Polizei könnten für sinnvollere Einsätze, darunter nicht zuletzt der Kampf gegen Rechtsterrorismus, verwendet werden. Gelder können sowohl in Präventions- und Aufklärungsarbeit fließen, als auch in die Unterstützung von Hilfseinrichtungen und Sozialarbeiter*innen. Nur durch eine aufgeklärte Politik sind Tote gänzlich zu vermeiden. Letztlich sind die verbleibenden finanziellen Mittel allgemeinen Bildungsaufgaben zuzuführen.
Wir erklären daher zum Weltdrogentag: Die restriktive Drogenpolitik hat versagt, eine Kriminalisierung von Konsument*innen führt nicht zum Erfolg. Der internationale Schwarzmarkthandel ist durch die repressive Politik nicht verschwunden, ganz im Gegenteil. Wir fordern deshalb: Es wird endlich Zeit für eine aufgeklärte Drogenpolitik, basierend auf wissenschaftlichen Standards und ohne Hysterie.
Die saarländische Linksjugend sieht es als ein Ziel an, Drogenabhängige zu entkriminalisieren und Prävention und Aufklärung über Suchtmittel voranzutreiben. Wir fordern eine sachliche und fachliche Auseinandersetzung mit dem Thema und nicht zuletzt eine Drogenbeauftragte, die eine dahingehende fachliche Kompetenz besitzt. Der freie Handel von Cannabis und Cannabisprodukten hat für uns umgehend zu erfolgen. Ein langfristiges Ziel muss die Legalisierung aller erforschten Substanzen zumindest in medizinischen Bereich sowie die letztliche Entkriminalisierung aller Konsument*innen sein.
Quellen
:
- un.org: International Day Against Drug Abuse and Illicit Trafficking, 26 Juni 2016
- zeit.de: Zeit, was zu drehen, 23. Januar 2015
- tagesschau.de: Heroin und Kokain – ein zunehmendes Problem, 28. April 2016
- tagesschau.de: Fast jeder vierte EU-Bürger hat Drogen probiert, 2. März 2016
- townhall.com: WOW: Look What Happened To Teens When Colorado Legalized Marijuana, 21. Juni 2016
- radiobremen.de: Legalisierung von Cannabis: Bürgerschaft beschließt Lockerungen, 20. April 2016
- spiegel.de: Bundesverwaltungsgericht: Schmerzpatient darf privat Cannabis anbauen, 6. April 2016