Unser Statement zu #aufstehen

Anfang 2016 kritisierten wir Lafontaine und die saarländische Landtagsfraktion für ihre „Kontingentlösung“ bezüglich der Aufnahme von Flüchtenden.[note]https://linksjugend-saar.de/themen/positionspapier-asylrecht-2016/[/note] Mittlerweile würde die Fraktion aufgrund unserer Arbeit solche Statements auch nicht mehr einstimmig verlautbaren können. Doch Oskar Lafontaine beeinflusst das leider wenig. Die Hoffnung, nach dem Bundesparteitag im Juni werde sich die chaotische inhaltliche Lage in der Linkspartei wieder beruhigen, war vergeblich. Der jahrelange Kampf von Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht in Sachen Asyl und AfD musste weitergehen, nun wird dafür „Aufstehen“ aus dem Boden gestampft.

DIE LINKE. – eine aus unserer Sicht recht gute linke Sammlungsbewegung – setzt sich ein für Arbeitnehmer*innen, Arbeitslose, Studierende, Auszubildende, Alte, Junge und Migrant*innen. Letztere will „Aufstehen“ nicht erreichen. Mit unsäglichen Äußerungen stimmt Lafontaine denjenigen zu, die keine Migrant*innen in Deutschland wollen. Man müsse „denen helfen, denen es am schlechtesten geht“, denn die, welche hierher kommen, seien ja eh die Mittelschicht.[note]https://www.welt.de/print/welt_kompakt/debatte/article161832722/Mich-stoert-schon-die-Bezeichnung-Rot-Rot-Gruen.html [/note] Der subtile Vorwurf: Dann hätten sie auch in der Türkei oder im Libanon bleiben können, wo die Ärmsten in Camps erfrieren und verhungern. Kriegsopfer gegeneinander auszuspielen, ist aus Lafontaines Sicht wohl notwendig, denn sie konkurrieren mit den unschuldigen Deutschen auf diversen Märkten.

Auch Wagenknecht erklärte kürzlich, eine „politisch sinnvolle Grenze“ verlaufe zwischen den „Ressentiments der AfD und der allgemeinen Moral einer grenzenlosen Willkommenskultur“. Und dass eine realistische linke Politik beide Maximalforderungen gleichermaßen ablehne.[note]https://mobil.nwzonline.de/meinung/berlin-nwz-gastbeitrag-von-sahra-wagenknecht-und-bernd-stegemann-aufstehen-fuer-ein-gerechtes-land_a_50,2,719263146.html[/note] Schon vorher bezeichnete sie die Forderung nach offenen Grenzen als „weltfremd“.[note]https://www.welt.de/politik/deutschland/article177175978/Sahra-Wagenknecht-nennt-Bekenntnis-zu-offenen-Grenzen-weltfremd.html[/note] Sie bewegt sich damit auf dem Niveau einer Andrea Nahles („Wir können doch nicht alle aufnehmen!“[note]http://www.spiegel.de/politik/deutschland/andrea-nahles-ueber-fluechtlinge-wir-koennen-nicht-alle-bei-uns-aufnehmen-a-1209713.html[/note] ). Wir sind dieser Agitation überdrüssig. Gezielt distanziert sich Wagenknecht von einer Linken, welche den Kampf gegen den Rechtsruck allzu konsequent führt. Von einer Linken, die das Ideal, Schwachen keinen Schaden zufügen zu dürfen, nur weil man selbst zu den Schwachen gehört, nicht aufgegeben hat.

Denn DIE LINKE. hat erkannt, dass es eine linke Alternative zu offenen Grenzen schlichtweg nicht gibt.

Wagenknecht diffamiert die Forderung nach einer Welt ohne nationale Zwänge als unseriös, doch umso demaskierender ist es, wenn sie gleichzeitig Widerstand gegen die „„Weiter so“-Prediger der Mitte“ fordert. Denn genau deren Logik – den nationalistischen Konsens dieser Mitte – greift sie auf. Grenzen zu „schützen“ führt zwangsläufig zu unglaublichem Leid, denn es macht Menschen zu Objekten. Wie auch Lafontaine wenn er anmerkt, die Menschen die nach Deutschland kämen, würden doch viel mehr in ihren Heimatländern gebraucht.[note]https://www.zeit.de/news/2017-11/11/migration-lafontaine-fordert-begrenzung-der-zuwanderung-11084202[/note] Das sagt er in Richtung derer, die er schon einmal zu „Wirtschaftsflüchtlingen und Scheinasylanten“ erklärte.[note]http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13499604.html[/note] Die besten Ausländer sind für Lafontaine und Wagenknecht immer noch die, die zuhause bleiben. Die Reduzierung auf den wirtschaftlichen Nutzen der Leute entmenschlicht. Sie zu tolerieren, zu relativieren, es als einen im Kapitalismus unlösbaren, gar notwendigen Widerspruch darzustellen und sie letztlich selbst zu übernehmen, ist aus unserer Sicht nicht links. Ihre Sammlungsbewegung soll ein Ruck sein, aber im exklusiven Interesse der Deutschen.

Die Agitation erreicht ihren bisherigen Höhepunkt in der Äußerung Wagenknechts, man dürfe sich als Linke nicht von „kriminellen Schlepperbanden vorschreiben lassen, welche Menschen auf ille-galen Wegen nach Europa kommen.“[note]https://mobil.nwzonline.de/meinung/berlin-nwz-gastbeitrag-von-sahra-wagenknecht-und-bernd-stegemann-aufstehen-fuer-ein-gerechtes-land_a_50,2,719263146.html[/note] Die Fülle an der AfD entliehenen Sprachmustern und Inhal-ten in diesem Zitat sollte jeden Linken schockieren.

Denn um in einem rechten Diskurs Mehrheiten zu organisieren, muss man rechts argumentieren. So wie die „Friedens-, Frauen- und Dritte-Welt-Bewegung“[note]https://www.tagesspiegel.de/politik/sammlungsbewegung-aufstehen-wagenknecht-dringt-auf-kurskorrektur-in-der-asylpolitik/22886654.html[/note], soll „Aufstehen“ die Gesellschaft verändern. Mal abgesehen davon, dass keine dieser Bewegungen von zwei etablierten Bundespoliti-ker*innen im Hinterzimmer geplant und umgesetzt wurde, bleibt die inhaltliche Erneuerung aus. Für Wagenknecht und Lafontaine sind politische Positionen nämlich variabel. Richtig ist, was gerade gut ankommt, also „politisch sinnvoll“ ist (siehe oben). Dazu beruft sich Wagenknecht auf die „sozi-aldemokratische Tradition“. Gut, dass sich im Boot auch einige Grünen- und SPD-Politiker*innen finden, die das Verbrechen Agenda2010 damals stolz mitverbrachen. Und von denen sollen sich Linke nun zeigen lassen, wie man einen linken Wandel durchführt. Denn auch das muss gesagt sein: Wenn Spitzenpolitiker*innen eine Bewegung aus dem Boden stampfen, ist das das Gegenteil einer „Bewegung von unten“. Auch wirtschafts- und sozialpolitisch wird „Aufstehen“ wohl weit hinter der Programmatik der Linkspartei zurückbleiben, „sozialdemokratische Tradition“ eben.

Im Rahmen dieser Tradition erklärt sich Oskar Lafontaine lieber gegenüber einer weiteren Beschränkung der Zuwanderung offen, um die AfD zu schwächen. Er beruft sich dabei positiv auf den maßgeblich von ihm durchgesetzten sog. „Asylkompromiss“, der Anfang der 90er das Asylrecht bereits einschränkte. Damals, als wie heute Flüchtlingsheime brannten und Menschen durch Straßen gejagt wurden, kamen die Parteien der sog. Mitte zusammen um dem wütenden deutschen Mob zu geben, was er wollte. Sie verschafften den Rechten einen ungeheuren Erfolg, hatten sie ihnen doch bestätigt, dass man mit niederträchtigster, rassistischer Agitation und Gewalt politische Erfolge erzielen kann. Den Rechten nachgeben, mit Sicherheit nicht die beste linke Idee. Ein Mechanismus, der heute aber ebenso selbstverständlich abläuft wie damals.

Die beiden wollen die „Protestwähler*innen“ nämlich der AfD abgraben. Menschen, die, um ihren Unmut zu äußern, also eine menschenverachtende Politik mit all ihren Toten, Verstoßenen und Verschollen unterstützen, sollen sich auch in der neuen Sammlungsbewegung einnisten können. Warum auch nicht. Dass diese als linkes Projekt beworben wird, ist mehr als eine zynische Erinnerung an den Zustand der deutschen Linken. Es ist ein Symbol dafür, was mit dieser unseren Gesellschaft gerade passiert. Denn nur, weil man gegen „die da oben“ ist, ist man noch lange nicht links. Wer das nicht merkt, ist schneller bei den Rechten, als Wagenknecht „Gastrecht“ sagen kann. Wie sich die Bewegung selbst inhaltlich aufstellt, bleibt abzuwarten. Nur ist jetzt bereits klar: Mit „Aufstehen“ ist der Rechtsruck in der Linkspartei angekommen.

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