Unsägliche Abschiebepraxis, mangelhafte Berichterstattung: Über eine Abschiebung in der Nacht vom 12. auf den 13. Mai 2016

Riegelsberg, eine Nacht im Mai 2016, gegen 3 Uhr. Mehrere Polizeiautos und ein Bus stehen vor einem Haus. Sturmgeklingel. Der Vermieter öffnet, nur einen Spalt breit, fragt nach dem Namen des Beamten: „Polizei“, keine Namen. Die Polizist*innen betreten das Haus. Wenig später: Weinende Kinder, eine weinende Mutter. Ein weinender Vermieter, keine Verabschiedung. Vergessenes Gepäck, eine verlassene Wohnung. So sieht es aus, wenn Menschen abgeschoben werden.

Dieser Fall, nur einer von vielen in der Bundesrepublik, wurde letzte Woche von Birgit Huonker, Mitglied des Landtages, in eindringlichster Weise geschildert und im Netz und via Facebook mehr als eintausend Mal geteilt. Anteilnahme und Solidarität der Menschen waren und sind noch immer immens.

Heute findet sich in der Saarbrücker Zeitung ein Beitrag mit dem Titel „Huonker und der Gestapo-Vergleich“. Weil die Landtagsabgeordnete diese menschenverachtende Praxis mit Ereignissen aus der deutschen Vergangenheit verglich, bat der saarländische Polizeipräsident Norbert Rupp die Staatsanwaltschaft um eine juristische Bewertung der Wortwahl. Michael Jungmann, Redakteur der Saarbrücker Zeitung, kommentiert die Ereignisse so: „Abschiebungen und insbesondere die Schicksale von Frauen und Kindern, die auf dem besten Weg der Integration waren, lassen ganz bestimmt auch routinierte Polizisten nicht kalt. Diese Fälle gehen oft unter die Haut.“ Statt jedoch die Konsequenzen zu ziehen und, wie Huonker, die Abschiebepraxis selbst – so juristisch legitimiert diese auch sein mag – zum Hauptpunkt der Kritik zu machen, bleibt nur ein kurzer Kommentar zur Wortwahl.

Wenngleich die so beanstandeten Zeilen mittlerweile gelöscht wurden, sind all diese Geschehnisse doch in höchstem Maße beunruhigend, verstörend. Und sie werfen eine Menge an Fragen auf. Wie wird es der Familie nun ergehen? Wo war die Berichterstattung, als es um die Abschiebung ging? Wie kann es überhaupt sein, dass eine solch unmenschliche Abschiebepraxis in Deutschland Alltag ist? Wie ist dies alles mit der Menschenwürde, die erst jüngst am Jahrestag des Grundgesetzes so vehement verteidigt wurde, vereinbar?

Der saarländischen Linksjugend fehlt sowohl für Abschiebungen als auch für eine solch unkritische Berichterstattung über diese jegliches Verständnis. Statt sich an der Wortwahl abzuarbeiten, sei den Herren Rupp und Jungmann empfohlen, sich kritisch mit den eigentlichen Ereignissen und den betroffenen Menschen auseinanderzusetzen. Deren Schicksal ist bis heute ungewiss. Letztlich bleibt so nur zu wünschen, dass sowohl die stets inhumanen Abschiebungen als auch die dafür Verantwortlichen endlich in den medialen Fokus rücken.

Nachtrag: Es gibt bei SR2 einen sehr hörenswerten Audio-Beitrag zu den Ereignissen, in dem u.a. Birgit Huonker selbst als auch die Integrationspatin Brunhilde Dittgen zu Wort kommen, beginnend ab 6:40.