Linksjugend [’solid] Saar: „Warum wir den Tag der deutschen Einheit nicht feiern“

Bei uns mag sich heute, angesichts der alljährlichen Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit, einfach keine Feierlaune einstellen.

Wenn man sich anschaut, welche politischen Projekte seit 1990 die Bundesrepublik bestimmen, kann nicht davon gesprochen werden, dass die Einheit gesamtgesellschaftlich ein Fortschritt war. Natürlich war das (vorläufige) Ende des Ost-West-Konflikts und die Befreiung der Menschen in Ostdeutschland und anderswo aus einem repressiven System ein Fortschritt. Dennoch – die letzten 26 Jahre Politik im wiedervereinigten Deutschland sind geprägt durch die faktische Abschaffung des Grundrechtes auf Asyl, durch immer stärkere Einschnitte wie Hartz IV und Sozialleistungskürzungen, sowie Deutschlands neuer Definition seiner Rolle als Weltmacht: Ökonomisch durch die brutale Austeritätspolitik in Europa und militärisch durch Beteiligung an Kriegen zum Schutz deutscher Interessen, welche auch Folge von Deutschlands Rolle in der Nato waren und sind.

Niemand von uns weint der DDR hinterher, aber im nationalen Taumel und der Freude, diesen repressiven Spießerstaat zerschlagen zu haben, erstarkte leider auch die rechte Szene in West und Ost – die Folge: immer heftigere menschenverachtende Anschläge auf Migranten*innen und Asylsuchende, egal ob in Rostock, Hoyerswerda oder Saarlouis.

Weiterhin ist es nicht gelungen in dieser Zeit die realen Lebensverhältnisse der Menschen in Ost und West anzugleichen. Als ein Beispiel dafür seien nur die unterschiedlichen Renten- und Lohnniveaus genannt. Wenn dann wenige Tage vor diesem Tag dann noch der saarländische Finanzminister Toscani (CDU) davon spricht, den Solidarpakt auslaufen zu lassen, zeigt sich für die Linksjugend [’solid] Saar auch sehr deutlich, was für einen geringen Stellenwert dieses Thema für manche Parteien hat. Bezüglich des „Solis“ fordern wir eine Erhaltung der Umlage. Diese sollte allerdings zu einem gesamtdeutschen Soli werden und auch die strukturschwächeren Regionen im Westen wie NRW oder das Saarland mit einbeziehen.

Der Mauerfall bedeutete für viele Menschen die Befreiung aus einem repressiven System, und daran kann auch gedacht werden. Dennoch finden wir es zynisch, den Fall einer Mauer zu feiern, während die Festung Europa ihre Zäune immer weiter hochzieht und immer noch Menschen im Mittelmeer ertrinken, es keine legalen Fluchtrouten gibt und die AfD die Wiedereinführung eines Schießbefehls an der deutschen Grenze fordert.

Die Linksjugend [’solid] Saar ist der Meinung, dass es geeignetere Tage für einen allgemeinen Feiertag gäbe, die einen Bezug zur deutschen Geschichte hätten – so beispielsweise der Antikriegstag am 1. September oder auch der 8. Mai als Tag der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus.