Linksjugend [’solid] Saar: Gegen die saarländische Heimattümelei!

Schon im Landtagswahlkampf im März ließen alle im Saarland vertretenen Parteien die Wählenden genau wissen, warum sie Politik machen: Aus Liebe zu ihrer Heimat, natürlich. „Zeit zum Umschwenken“ hieß das bei der AfD, die CDU plakatierte „Heimat wird nie unmodern“, die SPD trumpfte mit „Unser Saarland, unsere Stärke!“ auf und auch die Linke, von der wir uns einen kritischen Umgang mit der Heimatverbundenheit gewünscht hätten, ließ es sich nicht nehmen, mit Oskar Lafontaine vor dem tausendfach genutzten Saarschleifenmotiv zu verkünden: „Wir lieben unser Saarland!“ [1]. Der Landtagswahlkampf mag Geschichte sein, aber über die offizielle Website des Saarlandes „saarland.de“ geht die Werbung für das Saarland unter den Hashtags „Stolz“ und „Heimat“ noch immer forciert weiter.[2] Bereits der Kampagnenspruch „Großes entsteht immer im Kleinen“ spiegelt doch zumindest unterbewusst zwei alte deutsche Eigenheiten wieder, Minderwertigkeitskomplex und Größenwahn, die Hand in Hand gehen.

Zuletzt schoss nun aber das Portal, das zwischenzeitlich auch für Werbezwecke der Ministerpräsidentin – z.B. mit einem völlig unkritischen Interview zu Heimat und Mundart [3] – genutzt wird, mit einem Werbe-Hiphopvideo des saarländischen Rappers EstA den Vogel ab.[4] Schon der Titel „Saarland-Song“ lässt erwarten, dass es um Maggi, Lyoner und das, was im Saarland sonst noch als landestypische Kultur gilt, gehen wird. Das Abarbeiten an allgemein bekannten und lancierten Klischees kann man nun lustig oder platt finden, inhaltslos ist es allemal.

Gefährlich wird es aber, wenn die Heimattümmelei auf besorgniserregende Weise in den Mittelpunkt gestellt wird: Der Rapper beteuert, „der Saarländer“ (Saarländerinnen, Trans- und Intermenschen gibt es hier scheinbar nicht) hätte „ein Ego, dass die Karte sprengt“. Diese Charaktereigenschaft wird noch mit dem bekannten Stolz verbunden. Aber für „den Saarländer“ reicht es nicht mal, einfach stolz auf seine Heimat zu sein („Wir sind stolz auf unser Land“), nein, er will der Stolzeste von allen sein: „In Sachen Stolz sind wir das größte Land von allen.“Wir wissen aus der Vergangenheit, dass übersteigerter Heimatstolz grundsätzlich nur zum Wohlbefinden aller beiträgt.

Aber der Saarland-Kampagne reichte es auch nicht, dass die Saarländer die Stolzesten von allen sind, denn man muss das Saarländer-Sein schließlich auch definieren können. Da gehört dann nicht nur Mundart und gegrillter Pressfleischabfall dazu, sondern auch das richtige Blut: „Das ist Saarland, das ist Saarland, hier fließt saarländisches Blut durch unsere Adern!“
Dieser Anklang auf die Blut- und Boden-Ideologie der Rechten wird hier also zum typischen Saarländer-Sein. Es wird massentauglich gemacht. Es wird sogar damit geworben. Und wie genau man sich den diesen Volkskörper dann vorstellt, auch darüber gibt der Song Aufschluss.

Wir kritisieren diese krude Heimattümmelei in der Imagekampagne des Landes. Wenn diese nur Klischees bedient, Menschen voneinander abgrenzt und mit völkischen Elementen spielt, sollte sie besser eingestellt werden.

Die Realität im Saarland ist jenseits von schönen Landschaftsaufnahmen zu finden. So ist das Saarland unrühmlich führend bei der Zahl zurückgeführter Geflüchteter [5], die Armutsrate bei Studierenden und Kindern ist in kaum einem Bundesland höher [6] und kaum ein anderes Bundesland verpasst sich selbst einen derart harten und fatalen Sparkurs. Während deshalb Kultureinrichtungen geschlossen und die Hochschulen finanziell ausgeblutet werden, leistet sich das Saarland eine bundesweite Imagekampagne mit Großflächenplakaten, Radiospots und Internetwerbung – von Verschwendung zu sprechen, wäre noch geschmeichelt. Die hiesige Ministerpräsidentin betont darüber hinaus noch immer, was für eine große Gefahr die Homoehe für
unsere Gesellschaft sei [7], die AfD sitzt im Landtag und Kommunen weigern sich, Opfern rassistischer Gewaltverbrechen zu gedenken [8].

Eine saarländische Initative zeigt hingegen, wie es anders geht: Die großartige Kampagne des saarländischen Flüchtlingsrats, welche sich in ironischer Weise auf die Imagekampagne des Landes bezieht: „Saarland – Kein Abschiebeland“ [9], zeigt, dass man auch mit etwas werben könnte, was echten Inhalt hat, ganz ohne verklärten Heimatstolz: Mit Menschlichkeit.